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Gelddeckung, Geldschöpfung und Regionalgeld als Finanzierungswerkzeug

Regionalwährungen sind interessante Experimente in einem wirtschaftswissenschaftlichen Fachbereich. Diese Experimente bringen neue Ideen hervor, die auch das Feld der "Gelddeckung" und der "Geldschöpfung" betreffen.

Diese Punkte drehen sich vor allem um die Fragen: Woher kommt Geld? Und wie kommt es zu seinem "Wert"? Geld in seiner physischen Form, wie wir es heute benutzen, ist wert-los: Das Papier, auf das die Zahlen gedruckt sind, hat zwar einen Heizwert, aber dieser ist äußerst gering. Der Übergang in die digitale Geld-Welt ist mit der Entwicklung des Girokontos, der Kreditkarte und Online-Banking längst vollzogen – das digitale Geld hat nicht einmal mehr Heizwert. Die Bits und Bytes in den Bank-Computern unterscheiden sich in ihrer Form nicht von Bits und Bytes in anderen Computern. Bits und Bytes an sich sind unbegrenzt verfügbar und deshalb ohne Wert, wieso sind trotzdem so viele Menschen bereit, für den Besitz von Bits und Bytes ( = Geld auf einem Konto) monatelang Leistung in Form von Arbeitszeit oder Produkten aufzubringen?

Geld ist nie die Leistung selbst: Geld selbst ist immer nur ein Anspruch auf Leistungen. Geld zu besitzen bedeutet, dass der Geldbesitzer für dieses Geld die Leistungen anderer in Anspruch nehmen kann. Im Einzelfall geht man davon aus, dass der Geldbesitzer in den Besitz von Geld gekommen ist, indem er eine Leistung erbracht und verkauft hat – im Tausch gegen Geld. Im Gegenzug für diese Leistungserbringung erhält er also diese "Bezugsscheine", die wir Geld nennen und die ihn als jemanden ausweisen, der in Vor-Leistung gegangen ist und der dadurch ein Recht auf Leistung durch andere erworben hat. Hier zeigt sich der eigentliche "Wert" des Geldes: Nicht das Geld selbst ist wertvoll, sondern durch seine Funktion als "Bezugsschein" steht es stellvertretend für die Güter und Leistungen, die man dafür bei anderen eintauschen kann. Diese Güter und Leistungen sind für den Menschen von Wert, weil er sie nutzen oder verbrauchen kann: Frühstücksbrötchen und andere Lebensmittel, Reisen und Fahrzeuge, Computer und Informationsdienste, Haareschneiden, Bau und andere Dienstleistungen. Geld ist ein Anrechtsschein: Es belegt das Anrecht seines Besitzers, von anderen Menschen Leistungen zu erhalten.

Aber woher kam das Geld, dass jemand durch Leistungserbringung verdient?

Neue Geldsysteme: Gelddeckung und Geldschöpfung durch Leistungsverpflichtung

Im heutigen Geldsystem erfolgt die Schöpfung des Geldes meist durch Eigentumshinterlegung: Kredit bei der Bank bekommt nur, wer laufendes Einkommen und/oder verpfändbares Eigentum in den Kreditvertrag einbringt. Auch die Geschäftsbanken, die von der Zentralbank Geld bekommen, müssen im Gegenzug Kapital anderer Art hinterlegen (z.B. Wertpapiere). Dieses System der Geldschöpfung beruht also überwiegend auf der Grundlage bereits vorhandenen Kapitals.

Die aufkommenden Regionalwährungen bringen jedoch auch Kreativität in den Prozess der Geldschöpfung. Ein besonderes transparentes System der Geldschöpfung haben die Betreiber der Havelblüte (Potsdam) entwickelt. Geld wird hier nicht durch Hinterlegung von Kapital geschöpft, sondern durch Leistungsversprechen der Regiogeld-Nutzer.

Geldschöpfung Havelblüte

Bei dieser Methode kann jeder unternehmerisch tätige Akteur einen Vertrag mit den Regiogeld-Administratoren eingehen. In diesem Vertrag verpflichtet er sich, von seinen Kunden einen bestimmten Anteil an Regionalgeld beim Verkauf seiner Waren zu akzeptieren. Entsprechend dieser selbstgewählten "Regioquote" erhält er ein Startkontingent an Regionalgeld, mit dem er arbeiten kann ohne Euro dafür hergeben zu müssen. Zurückzuzahlen ist dieses Startkontingent dann, wenn er seine Waren und Leistungen nicht mehr gegen Regiogeld verkauft; wenn er also den geschlossenen Vertrag aufhebt. So lange kann das Startkontingent als unverzinstes Darlehen betrachtet werden.

Ein Beispiel: Ein Unternehmer, der sich verpflichtet, von seinen Kunden bis zu 30% der Kaufsumme in Regiogeld zu akzeptieren, erhält ein Startkontingent von 300 Regiogeld-Einheiten. Akzeptiert er bis zu 60%, so erhält er 600 Regiogeld-Einheiten. Bei der Havelblüte ist das Startkontingent darüber hinaus an die Anzahl der Angestellten des Unternehmens gekoppelt. Je mehr Menschen das Unternehmen Arbeit gibt, umso höher fällt das Startkontingent an Havelblüten aus: Startkontingent = Regioquote * 1000 * Anzahl der Mitarbeiter. Beispiel: Bei 10 Mitarbeitern und einer Akzeptanzquote von 30% erhält das Unternehmen ein Startkontigent von 3000 Havelblüten.

Geld wird in diesem Modell an die Leistungsbereitschaft und das Leistungspotential der unternehmerisch handelnden Akteure gekoppelt: Jeder Regiogeld-Akzeptant steht durch seine eigene Leistungsfähigkeit für den Wert der Regionalwährung (sogenanntes "leistungsgedecktes Geldsystem"). Das macht auch deshalb Sinn, da genau das für Regionalgeld kaufbar ist, was die Teilnehmer innerhalb ihres Regiogeld-Netzwerkes anbieten. Das Netzwerk aller Regiogeld-Akzeptanten stellt die Gesamtleistungsfähigkeit des Systems dar und sie stellen mit ihren Produkten und Leistungen die "Deckung" des Geldes.

Dies ist nicht nur ein besonderes transparentes System, um Geld zu schöpfen, es betont erneut den Bezugsschein-Charakter jedes Papier-Geldsystems. Der Geldschöpfungsprozess ist in diesem Fall nicht an "totes" Kapital sondern an "lebendige" Menschen gekoppelt und betont besonders die Funktion von Geld als Zahlungs- und Tauschmittel.

Dieser Weg bietet Regionalgeldinitiativen einen praktikablen Mechanismus, wie ihr Regiogeld in das Wirtschaftssystem kommt. Er ist vergleichsweise leicht kommunizierbar und bietet teilnehmenden Unternehmen den direkten Vorteil, zinsfrei regional einsetzbare Liquidität zu erhalten.

Regiogeld als regionales Finanzierungswerkzeug

Vor allem strukturschwache Regionen stehen oft vor dem Problem, wie Projekte oder Unternehmungen finanziert werden sollen. Deutlich muss werden: Jegliche Projektumsetzung geschieht immer durch die Leistung von Zulieferern (Zulieferer schließt Personal ein!). Geld ist "nur" das Hilfsmittel, um die Leistung der Zulieferer zu kanalisieren und erbrachte Leistungen untereinander zu verrechnen – zur Umsetzung des Projektzieles.

Mit der Methode der oben beschriebenen regionalen Geldschöpfung haben regionale Wirtschaftsakteure einen Weg vor sich, ohne externe Finanzierung auszukommen: Sie schöpfen sich ihr eigenes Zahlungsmittel, mit dem sie region-interne Projekte anstoßen und in regionaler Verantwortung umsetzen. Man könnte diesen Weg "endogene Finanzierung" nennen – Finanzierung von Projekten durch die Projektbeteiligten selbst.

Fazit

Regionale Wirtschaftsakteure sind in der Lage, eigenes Geld zu schöpfen: Durch Vernetzung und eine Selbstverpflichtung, ihr Regionalgeld als Zahlungsmittel untereinander zu akzeptieren. Ihre eigene Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft ist die Deckung dieses Geldes. Durch diesen Mechanismus verfügt die regionale Wirtschaft über ein neues Finanzierungsinstrument.

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Fußnoten

Norbert Rost, www.regionales-wirtschaften.de, letzte Aktualisierung: 10.04.2007