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Ökologische und soziale Aspekte regionaler Währungen

Der Einsatz regionaler Währungen soll eine regional orientierte Wirtschaftsweise fördern. Darüber hinaus werden durch Regionalwährungen auch soziale und ökologische Prozesse berührt.

Ökologische Aspekte

Kürzere Transportwege

Es wird davon ausgegangen, daß Regionalwährungen regionale Wirtschaftskreisläufe fördern und Wertschöpfungsketten in die Regionen verlagern. (siehe Regionalwährungen als regionales Eigenkapital) Gelingt es, Produkte, die zuvor überregional bezogen wurden, nun plötzlich regional zu produzieren und zu vertreiben, so wird deutlich: Die Transportwege verkürzen sich. Kürzere Transportwege bedeuten geringere Schadstoffemissionen und damit eine Entlastung der Umwelt. Rücken Produktion und Verbrauch näher zusammen, werden alternative Verkehrskonzepte denk- und umsetzbar. Es sollte untersucht werden, ob Regionalwährungen helfen, den regionalen Nahverkehr und regionalen Warentransport effizienter zu organisieren.

Produktionsprozeß wird transparenter und beobachtbarer

Rücken Produktion und Verbrauch näher zueinander, so wird der Produktionsprozeß für den Endkunden transparenter. Es ist für Unternehmen einfacher, sich nicht an umweltschonende Standards zu halten, wenn sie weit weg von ihrem Absatzmarkt agieren. Verlagern sich Wertschöpfungsprozesse in die Region und damit näher an den Verbraucher, so wird der Produktionsprozeß beobachtbarer und die Möglichkeit der Einflußnahme größer.

Ende des Wachstumszwanges?

Der heute vorherrschende dauerhaft positive Zinssatz wird in Zusammenhang mit dem Wachstumszwang der Volkswirtschaften gebracht: Ein über 0% liegender Geldmarkt-Zinssatz zwingt die Realwirtschaft, mit mindestens derselben Wachstumsrate zu wachsen. Der Zwang zum Wachstum ist auch in ökologischer Hinsicht problematisch. (siehe auch Diplomarbeit "Eine experimentelle Überprüfung der Aussagen der Freiwirtschaftstheorie")
Umlaufgesicherte Komplementärwährungen senken die Zinssätze am Geldmarkt. Die sinkenden Zinsen sollten eben diesen Wirtschaftswachstumszwang abschwächen. Darüber hinaus würden sinkende Zinsen zu einer anderen Behandlung von Abschreibungen führen, was eine langfristige Orientierung der Wirtschaftsakteure gegenüber einer kurzfristigen bevorzugt.
Ergebnis: Lang haltbare Produkte sollten gegenüber Billigware Wettbewerbsvorteile erlangen. Die ökologisch problematische Wegwerfgesellschaft hat die Chance, sich zu einer langfristig orientierten Wirtschaftsweise wandeln.

Soziale Aspekte

In dem aktuellen Prozeß, der mit "Globalisierung" etwas schwammig bezeichnet ist, dominieren oft globale Entwicklungen über regionale Zusammenhänge. Oft werden soziale Netzwerke durch Abwanderung der Bevölkerung ausgedünnt oder regionale Spezifika fallen dem Wettbewerbsdruck globaler Konzerne zum Opfer. Hält diese Entwicklung an, ist zu befürchten, daß die kulturelle Vielfalt durch eine globale Vereinheitlichung zerstört wird.

Regionale Kultur und Identität

Regionales Wirtschaften kann dazu beitragen, die Vielfalt auf unserem Planeten zu erhalten und zu fördern. Werden die globalen Handelsströme um regionale Märkte erweitert, so können sich in diesen kleinräumigeren Strukturen Kulturen erhalten und entfalten, die im globalen Wettbewerb nicht bestehen könnten.
Der Name einer Regionalwährung und ihre Bindung an eine bestimmte Region kann dazu beitragen, daß sich die Nutzer dieser Währung mit ihrer Region besonders identifizieren ( siehe auch: Regionalwährungen/Lokalwährungen: Optimale Währungsräume ). Wer (beispielsweise) in der Lausitz lebt und mit "Lausitzern" zahlt (www.lausitzer.net), wird über dieses tägliche Erlebnis eine besondere Bindung zu seinem Umfeld herstellen: Zu seiner Region und zu der regionalspezifischen Kultur. Unter diesem Aspekt ist Regionalgeld auch ein Werkzeug zur Identitätsbildung und darauf aufbauend zum regionalen Kulturerhalt und zur Kulturbildung.
Bezogen auf größere soziale Prozesse kursiert innerhalb der Regio-Szene die Vision von einem "Europa der Regionen", der besagt, daß ein geeintes Europa sich auf regionale Strukturen stützen sollte.

Einbindung unterschiedlichster sozialer Gruppen

Regiogeld ist ein Werkzeug, welches vergleichsweise nah am Menschen ist. Um eine Regionalwährungsinitiative zu starten, muß nicht auf die "große Politik" gewartet werden, vielmehr kann das Thema aktiv durch jeden Einzelnen angegangen werden. Dies bewirkt, daß sich unterschiedlichste soziale Gruppen mit dem Thema auseinandersetzen und auch Menschen aktiviert und in den sozialen Prozess einbezogen werden, denen die große Politik normalerweise "zu weit weg" ist.

Bildungsaspekte

Die Erfahrung zeigt: Jene Menschen, die sich intensiver mit der Thematik regionaler Währungen befassen, beschäftigen sich dadurch intensiver mit folgenden Themenbereichen:

  • Was ist Geld, wo kommt es her, wie funktioniert es?
  • Wie organisiert sich ein Wirtschaftssystem und welche Rolle spielt der Einzelne darin?
  • Woher kommen die Produkte die ich kaufe? Wie konsumiere ich regional?
  • Welche Orte gehören zu meiner Region? Wie definiert sich meine Region?

Wirtschaft, Geld sowie eine Beschäftigung mit regionalen Produkten, regionalen Unternehmen und Besonderheiten der eigenen Region haben sich als Themenbereiche herauskristallisiert, mit denen sich Regiogeld-Interessierte befassen. Darüber hinaus bieten sich Anknüpfungspunkte an Bereiche wie regionale Verkehrskonzepte, dezentrale Energieversorgung und regenerative Energien, ökologische Landwirtschaft und vieles mehr.
Damit ist feststellbar daß Regiogeld auch interessante Impulse im nicht-institutionalisierten Bildungssektor setzt.

Fazit

Regionalwährungen initiieren einen sozialen Prozeß, der verschiedenste Interessengruppen anspricht und integriert. Sie sind ein Werkzeug zur Identitätsbildung und helfen, kulturelle Spezifika zu bewahren oder auszubauen. Sie helfen, Produktionsprozesse näher an den Konsumenten zu rücken und transparenter zu machen. Kürzere Transportwege sollten die Umwelt direkt schonen, die Vermeidung des volkswirtschaftlichen Wachstumszwanges hat indirekte Auswirkungen auf Natur und Umwelt.

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Fußnoten

Norbert Rost, www.regionales-wirtschaften.de, letzte Aktualisierung: 01.11.2006